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Müntefering: Altersarmut vorbeugen

Der ehemalige SPD-Parteivorsitzende und Vizekanzler Franz Müntefering (73) fürchtet keinen Generationenkonflikt. Ordentliche Löhne bezeichnet er im Interview am Rande der Sozialkonferenz als bestes Mittel gegen Altersarmut.

Frage: In Berlin wird die Große Koalition verhandelt, während Sie auf der Sozialkonferenz der AWO Schwaben über Demografie sprechen. Fehlt Ihnen nichts?

Müntefering: Das wird sich noch zeigen. Ich war über 38 Jahre im Bundestag, das ist so in Ordnung.

Frage: Ist es schwer, loszulassen?

Müntefering: Nein, ich habe das bewusst so entschieden, um mehr Zeit für Privates zu haben. Ich habe schon in den vergangenen vier Jahren mein Pensum schrittweise reduziert. Ein bisschen mehr Muße, mehr Zeit zum Nachdenken zu haben, das genieße ich. Es ist aber auch gut zu wissen, dass man was zu tun hat. Jetzt lege ich gerade erstmals das Deutsche Sportabzeichen ab und trainiere Seilhüpfen.

Frage: Sie gewinnen also dem Älterwerden, dem Thema der Tagung, viel Gutes ab, oder?

Müntefering: In der Tat. Demografischer Wandel bedeutet: Es gibt viele Jahre obendrauf. Das ist eine gute Botschaft. Älter zu werden, hat Riesencharme. Rund 80 % der über 80-Jährigen benötigten keine Pflege.

Frage: Doch es gibt auch andere Tendenzen: Die Gefahr der Altersarmut wird weiter ansteigen.

Müntefering: Man darf das Problem nicht isolieren. Es gibt auch Kinderarmut. Um Armut im Alter zu verhindern, benötigen wir ordentliche Arbeit und ordentliche Löhne, von denen man auch leben kann. Darum plädieren wir ja für den gesetzlichen Mindestlohn. Wir dürfen nur nicht den Fehler machen, die umlagefinanzierte Rentenversicherung in Frage zu stellen. Sie hat sich eindeutig bewährt.

Frage: Immer mehr Alte – immer weniger Junge: Fürchten Sie einen Generationenkonflikt?

Müntefering: Zunächst muss man einmal festhalten: Wir leiden nicht an Überalterung, sondern an Unterjüngung. An einen Generationenkonflikt glaube ich nicht. In jeder Altersgruppe gibt es eine Menge vernünftige Menschen. Wir müssen nur dafür sorgen, dass die Vernünftigen das Sagen haben.

Frage: Welche Rolle spielt dabei die AWO?

Müntefering: Ich bin viel in Verbänden. Die AWO spielt für mich eine ganz wichtige Rolle, nicht nur in der Altenpflege sondern auch in anderen gesellschaftlichen Bereichen wie der Integration. Bei der Finanzierung der stationären Pflege muss die AWO, die ja viele Heime betreibt, deutlich sagen, was geht und wo es Probleme gibt.

Frage: Es fehlen Fachkräfte – was tun?

Müntefering: Wertschätzung und gute Löhne zuerst. Es gibt eine Million junge Leute ohne Schul- und Ausbildungsabschluss. Da müssen wir ansetzen. Wir haben uns jahrelang eine Frühverrentung geleistet, die nicht sinnvoll war und auch nicht finanzierbar. Das haben wir nun geändert. Jetzt sind wieder mehr Ältere in Arbeit.