Statement des Ehrenvorsitzenden der AWO Schwaben,  Dr. Heinz Münzenrieder

Corona u. a.
Jedem Recht getan ist eine Kunst, die niemand kann. Oder: Mit Widersprüchen muss man leben.
Leicht ist es ja derzeit nicht. Völlig neue Begrifflichkeiten haben sich urplötzlich aufgetan. Wer hatte vor Corona etwa hiervon einen blassen Schimmer?
Plötzlich gibt es eine Pandemie, einen Inzidenzwert, von einer Reproduktionszahl oder einer Test-Positivrate ganz zu schweigen.

Zunächst kann uns da üblicherweise der Herr Google etwas weiterhelfen (in grauer Vorzeit gab es dazu das gute alte Lexikon). Aber dann wird es richtig schwierig. Diese neue Welt der Begriffe und deren Wertigkeiten werden interpretiert und oft genug konträr beurteilt von Wissenschaftlern verschiedenster Disziplinen (mit oder ohne Professortitel) und von manchmal geschickt Klientel-Interessen vertretenden Repräsentanten. Und sogenannte Experten – wer vergibt eigentlich solche „Titel“? - bevölkern die TV-Talkshows mit bewusst so gewollten gegenläufigen Ansichten. Auch die Medien verteilen Lob oder Tadel. Klar, für „Otto Normalverbraucher“ ist dies alles schwer zu durchschauen.

Hinzu kommt, dass auch die Politik widersprüchliche Aussagen tätigt. Es gibt keine einheitliche Bundes-, Landes- oder Kommunalpolitik in der Causa Corona. Und manches Oberbürgermeisterle glaubt, für seine Stadt den Stein des Weisen nach der Methode „Jugend forscht“ finden zu können. Manchem wird aber meine Antwort darauf nicht ganz gefallen: Diese Gemengelage stellt keine Malaise dar! Im Gegenteil: Es gibt halt auch in Coronazeiten keine „alleinig seligmachenden“ Lösungen. Und vom Absolutheitsanspruch geprägte Antworten sollten mit Vorsicht genossen werden. Dies ist gerade der Vorteil einer offenen demokratischen und pluralistischen Gesellschaft. Alles muss auf den Tisch der Öffentlichkeit. Und letzthin müssen – was schwer genug ist – die entscheiden, die hierzu politisch legitimiert sind.

Dabei ist unbestritten, dass – was die politische Meinungsbildung und den administrativen Vollzug betrifft – die gegenwärtige Pandemie einen zwingenden Reformbedarf offenlegt. Man denke etwa an den „Flickenteppich“ der Regelungen. Im Übrigen gilt nicht erst seit Corona: Nicht jedem kann immer „millimetergenau“ Recht gegeben werden. Da ist die Grenze zur „Rechthaberei“ fließend. Und Widersprüchlichkeiten sind manchmal „systemrelevant“. Aber über Streitfälle urteilen unabhängige Gerichte. Das ist gut so. Und dann gibt es noch etwas: Es ist nicht so, dass andere alles besser machen. Wir haben doch – alle zusammen – alles einigermaßen gut gelöst. Wir haben auch die notwendigen finanziellen Ressourcen. Etwa zur Kompensation sozialer oder betrieblicher Härten. Ich habe ein Leben lang nichts für nationale Phrasen übriggehabt. Trotzdem bekenne ich mich dazu: Ich bin gerade in Zeiten einer Pandemie froh darüber, in Deutschland leben zu können.

Herzlich

Ihr Heinz Münzenrieder

Ehrenvorsitzender der AWO-Schwaben