Presse-Information | Stadtbergen, 15. Februar 2021

- Die Ausführungen können als persönliche Worte der Unterzeichnerin verwendet werden –

Die AWO Schwaben nimmt hierzu vorläufig wie folgt Stellung:

Es wird bedauert, dass in der Öffentlichkeit der Eindruck entstehen könnte, als würden die staatlich vorgegebenen Prioritäten bei der Impffolge bewusst nicht beachtet. Eine Missachtung dieser Vorschriften würde dem Vertrauen der Bevölkerung mit Blick auf die Maßnahmen der Pandemiebekämpfung schaden.

Kritisch wird in der Berichterstattung angesprochen, dass der Vorstandsvorsitzende, zwei ihm direkt unterstellte Pflegefachkräfte und drei weitere in keinem Arbeitsverhältnis zur AWO stehende Personen vorrangig geimpft worden seien.

Die vorrangige Impfung von Personen, die regelmäßig in Seniorenheimen tätig sind, erfolgt in Übereinstimmung mit der Impfverordnung des Bundes und den damit korrespondierenden Landesvorschriften. So ist selbst zuletzt in § 2 Abs. 1 Nummer 2 der Coronavirus-Impfverordnung vom 8. Februar 2021 festgehalten, dass auch Personen außerhalb des Pflegepersonals mit höchster Priorität Anspruch auf Schutzimpfung haben, welche in Pflegeheimen tätig sind, wobei sogar ein „bloßes Betreten“ ausreichend ist. Es entspricht also sogar den verordnungsrechtlichen Vorgaben und auch der Ansicht des RKI, den Personenkreis derer, die beinahe täglich in oft verschiedenen Heimen präsent sein müssen, sofort einer Impfung zu unterziehen. Es ist nicht unbekannt, dass Altenheime „hot spots“ bezüglich der Covid-19-Erkrankungen sind. Dass die AWO Schwaben hierbei besondere Sensibilität an den Tag legt, liegt schon daran, dass wir bislang schon 40 Covid-19-Todesfälle in unseren Häusern zu beklagen haben.

Darüber hinaus sind dem Vorstandsvorsitzenden unsere Heime direkt personell und organisatorisch unterstellt. Der unmittelbare Kontakt vor Ort ist für ihn und die anderen genannten Personen eine wesentliche Obliegenheit.

Eine sofortige Impfung des gesamten Personenkreises erfolgt auch zur Aufrechterhaltung eines geordneten Heimbetriebs gerade in Coronazeiten. Der Ausfall von Führungspersonal würde – zu dem bei der heutigen Personalsituation – zu erheblichen betrieblichen Stresssituationen zum Nachteil der von uns Betreuten führen. Würden diese Personen nicht unverzüglich geimpft worden sein, wäre dies ein grober Verstoß gegen die einem Heimträger obliegenden Sorgfaltspflichten.

Die in wenigen Einzelfällen erfolgte Vorrangimpfung von AWO-fremden Personen wird nicht gebilligt und jedenfalls bedauert. Dies trotz der Feststellung, dass hierbei weder straf- noch ordnungsrechtliche Tatbestände vorliegen, zumal keinerlei gesetzliche Vorgaben existieren, welche die Verwendung von nicht verimpftem Impfstoff vorsehen.

Im Falle der Einrichtungsleiterin unseres Hauses in Augsburg-Herrenbach verlief die „Vorrangimpfung“ am 16. Januar 2021 wie folgt:

Schon gegen Mittag zeichnete sich ab, dass aufgezogene Impfdosen wohl übrigbleiben könnten. Die Einrichtungsleiterin organisierte deshalb im Einvernehmen mit dem Impfteam die Impfung von Polizeibeamten aus dem naheliegenden Revier. Gegen 15.30 Uhr wurden dann zwischen 10 und 15 Beamte geimpft. Als gegen Ende des Impfgeschehens noch einige bereits auf Spritzen aufgezogene Dosen übrig waren, impfte das Team zwei der Heimleiterin bekannte Personen, die sie vorher schon mit Blick auf eventuell übrig bleibende Dosen benachrichtigte. Es sind dies der Lebensgefährte der Heimleiterin und dessen Mitarbeiter. Der Lebensgefährte betreibt eine Kfz-Werkstätte und hilft der Heimleiterin gelegentlich bei Reparaturen im Haus. Außerdem betreut er mit seinem Mitarbeiter die Fahrzeuge des Ambulanten Dienstes der AWO in Fürstenfeldbruck. Dort wird der Lebensgefährte vom Gesundheitsamt als systemrelevant angesehen. Sie stellte die beiden dem Impfteam vor und teilte mit, dass diese nichts mit dem Heim zu tun hätten. Mit der Bemerkung „besser geimpft als verworfen“ wurden diese dann geimpft.

Im Falle des Einrichtungsleiters unseres Hauses in Augsburg-Haunstetten verlief die „Vorrangimpfung“ am 15. Januar 2021 wie folgt:

Nachdem auch in dieser Einrichtung sich im Laufe des Tages abzeichnete, dass Impfdosen übrig bleiben könnten, wurden im Einvernehmen mit dem Impfteam vorsorglich im Heim tätige Haunstetter Praxisärzte benachrichtigt. Nachdem diese später – als sich der Dosenüberschuss bewahrheitete – geimpft waren, sind noch aufgezogene Spritzen übrig geblieben. Wiederum im Einvernehmen mit dem Impfteam sind diese einem gerade im Hause befindlichen Hausarzt und der Ehefrau des Einrichtungsleiters verabreicht worden. Die Ehefrau des Heimleiters wurde dem Impfteam entsprechend vorgestellt. Letzthin lief alles zur Zufriedenheit aller ab, denn es sollten jedenfalls alle Impfdosen Verwendung finden.

Die durchgeführte Impfung der drei in den Medien angesprochenen externen Personen war ein Fehler. Dies insbesondere mit Blick auf den hierdurch in der Öffentlichkeit entstandenen Eindruck. Eine „Vordrängelei“ oder eine „Selbstbedienungsmentalität“ kann hierbei aber nicht erkannt werden. Letzthin wird der Bundesgesundheitsminister richtig liegen, wenn er vorbringt, dass das Wegwerfen von Impfstoff unverantwortlich sei. Im Übrigen bedauern die angesprochenen Heimleitungen ihr Vorgehen. Heute würden sie andere Prioritäten setzen.

Bei einer nachträglichen Beurteilung der genannten Vorgänge darf nicht unerwähnt bleiben, dass es für alle Beteiligten vor Ort (Impfteams und Heimträger) nicht leicht war und ist, unter gewaltigem Zeitdruck und unter der großen Anspannung unter den Bedingungen einer Pandemie, diese große Herausforderung erfolgreich anzugehen.

Und man muss auch anerkennen, dass beispielsweise bei der AWO Schwaben in deren 25 Heimen 1900 Bewohnerinnen und Bewohner von 1600 Mitarbeitenden betreut werden, die Impfungen sehr zufriedenstellend erfolgten und erfolgen. Eines ist für die AWO Schwaben noch wichtig: Wir müssen alles hierzu tun, dass durch die gegenwärtige Diskussion unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Pflege nicht in ihrem großartigen Engagement Schaden leiden.

Stadtbergen, 15.02.2021

Brigitte Protschka
Vorsitzende des Verwaltungsrates