Die schwäbische Arbeiterwohlfahrt (AWO) eröffnet mit rund 130 Gästen ihre Wanderausstellung „Macherinnen. Helferinnen. Frauen und die AWO Schwaben“ im Staatlichen Textil- und Industriemuseum Augsburg (tim).
„Wer entscheidet, wer wo sitzen darf?“, hinterfragte die Gründerin der Arbeiterwohlfahrt (AWO), Frauenrechtlerin und Reichstagsabgeordnete Marie Juchacz vor mehr als 100 Jahren, als es darum ging, Frauen per Wahlrecht an politischen Entscheidungen gleichberechtigt zu beteiligen.

Wer nämlich seinen Platz nirgends oder nur in den hinteren Reihen findet, wird schnell übersehen. Ganz in der ersten Reihe saß bei der Eröffnung im tim deshalb ein gutes Dutzend Frauen, - von der ehrenamtlichen Ortsvereinsvorsitzenden bis zur hauptamtlichen Vorständin. Sie werden in der Schau neben historischen Pionierinnen der AWO in Schwaben portraitiert und stehen stellvertretend für viele Tausend andere, die die Arbeit des Sozialverbandes in Schwaben prägten und prägen.

Ausstellungskuratorin und Journalistin Isabel Krieger hatte über Monate hinweg umfangreiches Bild- und Textmaterial gesammelt und viele Interviews geführt, um die Aufbauleistung der schwäbischen Pionierinnen, die sich bis heute in den sozialen und gesellschaftlichen Strukturen wie auch in den zentralen Tätigkeitsfeldern der AWO Schwaben widerspiegelt, zu beleuchten.

„Die Frauen, die sich damals in den Anfängen der AWO engagierten, hatten einen unbedingten Willen zur Verbesserung der Lebensbedingungen“, sagte Krieger, „sie haben vor Ort die Dinge getan, die ihnen notwendig erschienen. Sie waren Macherinnen und Helferinnen“. Mit Blick auf die Zukunft meinte Krieger: „Wir müssen gut aufpassen, dass die Errungenschaften der letzten Jahrzehnte, die sozialen Strukturen und all das, zu dem Marie Juchacz und die Pionierinnen der AWO einen wesentlichen Beitrag geleistet haben, nicht leise und heimlich wieder verschwinden.“

AWO-Präsidentin Brigitte Protschka betonte: „Mit dieser Ausstellung wollen wir die Gestaltungskraft von Frauen sichtbar machen. Diese Kraft ist so wertvoll, weil sie direkt in unsere Gesellschaft hineinwirkt. Weil Frauen anpacken, weil sie nicht lange reden, sondern machen.“

Die Gleichstellungsbeauftragte der AWO Schwaben und frauenpolitische Sprecherin der SPD-Landtagsfraktion, Dr. Simone Strohmayr, freut sich einerseits, dass dank des Frauenwahlrechts Frauen heutzutage auch Plätze in der ersten Reihe einnehmen. Doch um echte Gleichstellung zu erreichen, gebe es noch viel zu tun: Verdienst, Rente, der Anteil an Führungspositionen und die Beteiligung in den Parlamenten sei noch lange nicht zufriedenstellend.

Die AWO Schwaben hingegen, so war zu erfahren, wird von starken Frauen getragen. 87 Prozent der Beschäftigten sind weiblich. Der Anteil an Ortsvereinen, in denen eine Frau ehrenamtlich an der Spitze steht, beträgt immerhin 42 Prozent.

Die Rolle der Frauen hat sich in den vergangenen 100 Jahren maßgeblich verändert – „zum Glück“, meinte Augsburgs Oberbürgermeisterin Eva Weber. Jede Zeit habe aber auch ihre eigenen Herausforderungen. „Von der Gleichberechtigung sind wir immer noch relativ weit weg. Es ist immer wieder wichtig, auf die besonderen Lebenssituationen von Frauen hinzuweisen“, sagt Weber und plädiert unter anderem für faire Bezahlung, lebensgerechte Kita-Öffnungszeiten sowie die Ermöglichung eines selbstbestimmten und gewaltfreien Lebens.

Bei alledem gehe es aber auch darum, durch eigenes vorbildhaftes Tun Mädchen und jungen Frauen Mut zu machen und sich die starke Partnerschaft der Männer zu sichern.

Museumsleiter Dr. Karl Borromäus Murr schlug den Bogen von den Anfängen der Arbeiterwohlfahrt in Schwaben ins tim in Augsburg: „Die Geschichte der Textilindustrie ist eine Geschichte der Frauenarbeit“, fügte Murr an und schilderte die prekäre Situation zur Zeit der Industrialisierung, als Frauen zwar eine Beschäftigung in der Textilbranche fanden, die Ehe aber eine wirtschaftliche Notwendigkeit war. Viele Textilarbeiterinnen starben früh. Auch die Mortalität bei Kindern war hoch. Wer sollte sich um die Frauen kümmern? Nach dem ersten Weltkrieg war die Not überall besonders groß. „Es brauchte Institutionen wie die Arbeiterwohlfahrt, um diese Not zu lindern“, sagte Murr.

Die Eröffnung wurde von Ute Legner (Gesang) und Tom Jahn (Klavier) musikalisch umrahmt. Dabei regneten nicht nur für Hildegard Knef, sondern für alle anwesenden Frauen rote Rosen - ein passender Ausklang für einen Abend ganz im Zeichen weiblicher Gestaltungskraft.

Die Wanderausstellung ist noch bis zum 11. April im „tim“ zu den üblichen Öffnungszeiten zu sehen und geht dann quer durch Schwaben. Die Termine werden rechtzeitig angekündigt.

Unseren Film zur Ausstellungseröffnung sehen Sie hier: www.youtube.com