Presse-Information | Stadtbergen, 19. März 2021

Wer dem massiven Personalmangel in der Pflege ernsthaft begegnen will, muss an der besseren Bezahlung arbeiten. Ganz klar. Ein erster Schritt: Die gleiche Bezahlung von Pflegekräften in der Kranken- und Altenpflege. Und: Ein für alle Arbeitgeber verbindlicher Tarifvertrag in der Altenpflege, der endlich für verbindliche Mindestlöhne sorgen würde. Hier könnte die Diakonie übrigens sofort selbst etwas tun, indem sie zustimmen würde. Bisher hat sie sich ja einfach gar nicht dazu geäußert. „Ihre dagegen unlängst geäußerte Forderung eines Steuerfreibetrages ist Augenwischerei und hilft eigentlich wieder nur den eh schon besser Verdienenden“, kritisiert Brigitte Protschka, Vorsitzende des Präsidiums der AWO Schwaben. Wer am unteren Ende der Gehaltsliste steht, habe wenig bis gar nichts davon.

Von der Begünstigung von Zuschlägen auf Überstunden, Nacht- und Feiertagsdiensten, wie von Gesundheitsminister Klaus Holetschek ins Gespräch gebracht, hält sie auch nicht viel. Damit kann man sein Gehalt aufbessern, läuft aber auch Gefahr, ranzuklotzen und sich noch mehr zu belasten, als es durch die allgemeine Personalnot eh schon der Fall ist. Gegen Erschöpfung und Frustration helfe leider nicht in erster Linie Geld, sondern die Verbesserung der Arbeitsbedingungen.

Wenn man mehr Köpfe ins System bringen will, wie es Minister Holetschek formuliert hat, sollte man sich in erster Linie und schnellstmöglich Gedanken machen, wie die Arbeitsbedingungen verbessert werden können. Im Grunde sei hier fast jede Maßnahme richtig, die „schnell“ greift. Denn die Pflegekräfte hätten schon genügend Versprechungen und Überlegungen gehört. Verbessert habe sich wenig und nach der extremen Corona-Belastung sei die Schmerzgrenze bei vielen definitiv erreicht. Verdi verweist übrigens schon lange darauf, dass jede fünfte Pflegekraft gar nicht erwartet, den Beruf bis zum Rentenalter ausüben zu können.

Es ist gut, dass Klaus Holetschek in seiner neuen Rolle als bayerischer Gesundheitsminister die Pflege in den Fokus nimmt. Der von ihm angesprochene „Pflegepool“ beispielsweise hilft immerhin sofort, ist aber alleine leider nur ein Tropfen auf dem heißen Stein. Es braucht mehr solcher Maßnahmen. AWO-Vorstandsvorsitzender und Altenhilfereferent Dieter Egger wünscht sich Pilotprojekte, mit denen man - beispielsweise „Führung in Teilzeit“ - modellhaft erproben könnte, ohne Gefahr zu laufen, gegen die geltenden Regelungen der Ausführungsverordnung zum Pflegewohnqualitätsgesetz zu verstoßen. Das würde mehr Flexibilität in die Arbeitswelt bringen und neue Wege für Aufstiegsmöglichkeiten erschließen. Wünschenswert wäre etwa auch die bezahlte Freistellung von Ausbildern. Auch das brächte eine Entlastung der Pflegekräfte. Und die Auszubildenden erhielten eine umfassende Anleitung und Betreuung ohne Stress und Zeitdruck. Dringend nötig wäre zudem ein Bürokratieabbau. Pflegekräfte wollen nicht übertrieben dokumentieren, sondern Menschen betreuen. Es muss darum gehen, den Beruf der Pflegekräfte schnellstmöglich attraktiver zu machen. Auch viele kleine Veränderungen können dabei helfen. „Manchmal ist es besser, kleine Schräubchen zu drehen, als das große Rad“, sagt Brigitte Protschka dazu. Und weiter: „Wenn wir nicht in Kürze jede Menge Pflegekräfte verlieren wollen, muss jetzt einfach schnell gehandelt werden.“

Die Lösung der großen Probleme in der Pflege ist eine Mammutaufgabe und erfordert einen Systemwechsel. Egal, ob man über die Deckelung der Pflegekosten für Angehörige, die Finanzierbarkeit ambulanter Versorgung vor Ort oder den Fachkräftemangel nachdenkt – mit einem Federstrich ist das nicht zu lösen. Politische Entscheidungen sind hier nötig. Das braucht Zeit. Aber die haben unsere erschöpften Pflegekräfte nicht mehr. Auf die große allumfassende Erneuerung können und wollen sie nicht mehr warten.

Brigitte Protschka
Vorsitzende des Präsidiums und Verwaltungsrats

Dieter Egger
Vorstandsvorsitzender