Presse-Information | Stadtbergen, 14. Dez 2022

Beim Filmabend des AWO-Zentrums für Aidsarbeit Schwaben blickten die Besucher zurück in die Zeit der großen Aids-Krise, aber auch nach vorne. Zu den Herausforderungen der Zukunft gehören etwa das Älterwerden mit HIV und die queersensible Pflege.
Als das Licht im Augsburger Augustanasaal wieder anging, herrschte einen Moment lang tiefe Stille im Publikum. Die Dokumentation „WE WERE HERE“ von David Weissman, der darin in eindrucksvollen Aufnahmen und bewegenden Interviews mit Überlebenden die verheerende Aids-Krise in San Francisco Ende der 70er bis weit in die 90er Jahre schildert, war tief unter die Haut gegangen.

Der Film weckte zudem Erinnerungen an die Anfänge in München und Augsburg, wo es damals weder eine starke, sich gegenseitig unterstützende Gemeinschaft wie in der amerikanischen Metropole noch Anlaufstellen oder eine Vielzahl spezialisierter Mediziner gab.

Betroffenheit allein wollte das Zentrum für Aidsarbeit Schwaben (ZAS) der Arbeiterwohlfahrt (AWO) allerdings nicht mit dem Filmabend samt anschließender Podiumsdiskussion, herbeiführen. Vielmehr ging es darum, das „große Schweigen“ nach dem Einzug wirksamer HIV-Medikamente zu brechen und in einer Zeit, in der die Corona-Pandemie und der Ukrainekrieg im Fokus stehen, wieder ein stärkeres Bewusstsein für die wichtige Präventionsarbeit und Testungen als zentrale Maßnahmen zu Bekämpfung von HIV zu schaffen. In Deutschland stellen vor allem die unentdeckten Infektionen und damit die fehlende medizinische Behandlung ein Problem dar. „HIV wird nicht nur durch Sex übertragen, sondern durch Sexismus, Rassismus und Homophobie“, zitierte die Leiterin des ZAS, Ulrike Alban, die Schauspielerin und Aids-Aktivistin Charlize Theron. Denn diese Haltungen verhindern weltweit den Zugang zu HIV-Behandlung und Aufklärung. Dieser sei aber unabdingbar, wolle man das Ziel der WHO, HIV und Aids weltweit bis 2030 besiegt zu haben, erreichen.

„Der Umgang mit HIV-Infizierten ist nach wie vor geprägt von Ablehnung, Distanzierung und Ausgrenzung. Soziale Diskriminierung ist heute wohl eine der großen Herausforderungen. Das Zentrum für Aidsarbeit leistet eine Menge, damit Betroffene ihr Leben gut bewältigen können“, sagte die Vizepräsidentin der AWO Schwaben, Petra Fischer, auch im Namen von Präsidentin Brigitte Protschka und der fürs ZAS zuständigen Vorständin Marion Leichtle-Werner, und betonte den Stellenwert der Prävention. Besonders Jugendliche bräuchten Orientierung, um ihre Sexualität zu entdecken, sie auch zu leben und sich dabei zu schützen.

Deshalb plädierten die Teilnehmenden an der Podiumsdiskussion, durch die Lisa Hitzke von der AWO Schwaben geschickt führte, geschlossen für eine intensivere, über den Freistaat Bayern kontinuierlich finanzierte Präventionsarbeit an Schulen durch externe HIV-Expertinnen und -Experten in Ergänzung zu den Lehrkräften. Fabienne Kündgen vom Verein Queerbeet Augsburg wünschte sich zudem mehr Räume, in denen sich alle Generationen begegnen und zum Thema austauschen könnten. Sandra Eck von der Beratungsstelle Lebis am Frauenzentrum Augsburg forderte eine bessere und kostenlose Gesundheitsversorgung. Es seien vor allem Frauen, die von Altersarmut bedroht seien. Zudem infizierten sich damals auch Frauen, insbesondere Trans*Frauen, mit HIV. Ihre Erfahrungen und Perspektiven seien wichtig, gehört und berücksichtigt zu werden.

Florian Heinbach, Leiter des AWO-Seniorenheims in Königsbrunn, wies auf die erste Generation HIV-Betroffener hin, die in Seniorenheimen leben, worauf die wenigsten Einrichtungen vorbereitet seien. Um einer möglichen Stigmatisierung entgegenzuwirken, plant Heinbach daher, das AWO-Bundesprojekt „Queer im Alter“, das unter anderem Personalschulungen im Umgang mit HIV und Aids umfasst, fortzuführen und sein Heim mit dem Qualitätssiegel „Lebensort Vielfalt“ zertifizieren zu lassen.

ZAS-Mitarbeiter Johann Adelhardt-Blaschke führte die Defizite in der Beratung und der medizinischen Versorgung sowie die schwerwiegende Isolation HIV-Betroffener zur Zeit der Corona-Kontaktsperren vor Augen und empfahl, die Menschen ganzheitlich zu sehen, anstatt nur von der Viruslast zu sprechen. Sein Kollege Rudolf Sommersperger fügte hinzu: „HIV-Infizierte sollten mit ihrem chronischen Krankheitsbild genauso akzeptiert werden, wie beispielsweise Krebspatienten.“